Donnerstag, 3. September 2009

aus der suppe heraus den sinn. traumblog teil 3

dieser äusserst feingesiebte dauernieselregen erzählt sehr zuverlässig davon, dass es gestern schon genauso geregnet hat; vom fenster aus gesehen könnte es also ebenso gut gestern wie heute (und eventuell sogar morgen?) sein. wenn sich die tage ähneln wird es schwierig, überhaupt eine struktur auszumachen, eine zeit, an der festgehalten werden kann, eine entwicklung.

revolver_lomo

wenn wir am anfang eines tages aufwachen, beginnen die räderchen zu ratten und geben knarzend von sich, was gestern geplant und auf heute verschoben wurde, was gestern erledigt war und heute ad akta gelegt werden darf, es fällt einem ein was einem gestern gefiel und was man heute vermisst. dieses vermögen, sich im universum seiner selbst in vollem bewusstsein und in voller geschichtlichkeit zu denken und danach zu handeln, ist mitunter eines der durchgängigsten argumente der wirklichkeit: dagegen ist der traum fragment, zerfetzt, unvollständig, kein kontinuum,

wenn wir uns abends zwischen die laken legen, haben wir also in der regel längst vergessen, was wir vorige nacht träumten. es ist uns unmöglich, dort anzuknüpfen, wo wir letzte nacht aufhörten. und wäre das nicht eine beängstigende vorstellung? „Würde es nicht beim Erwachen viele Lücken (an Unaufmerksamkeit übergangene verknüpfende Zwischenvorstellungen) in unserer Erinnerung geben, würden wir die folgende Nacht da wieder zu träumen anfangen, wo wir es in der vorigen gelassen haben: so weiss ich nicht, ob wir uns nicht in zwei verschiedenen Welten zu leben wähnen würden.“ sagt Kant (der ansonsten der meinung ist, ohne den traum würden wir uns direkt in den tod schlafen). wir müssten uns ja in zwei welten wähnen, denn wir würden in der einen wie in der anderen absichten verfolgen, die sich nicht in stundenschnelle ausführen lassen, wir würden parallele terminkalender füllen und parallele freundschaften pflegen. wir hätten unsere ängste parallel aufgeteilt – und könnten mit der lösung eines problems in der einen welt vielleicht in die andere welt hinüberreichen, mit gutem beispiel voranschreiten, in der wachwelt die traumwelt und in der traumwelt die wachwelt deuten und daraus lernen... wir müssten ganz genau aufpassen, ob unser gegenüber nun im traume schon ganz anders war und eine beziehung an einem völlig anderen punkt angelangt war, oder ob sich gar die zwei beziehungen durchaus widersprechen - und diese verschiedenen entwicklungszustände bloss nicht miteinander vermischen – denn dann? dann wären wir ja eventuell wieder eine person mit ach zwei seelen in einer brust? selig also jene, die sich sowieso selten bis gar nicht an ihre träume erinnern, die könnten parallel hier und dort leben und wüssten wenig bis gar nichts davon, vielleicht bloss unbewusst mal ein kleines déja-vu.
bei den antiken griechen passte das „hier“ und „dort“ noch ins klare weltbild, heute schafft sich die wissenschaft mit einer realität, die sich nur über das nicht-reale definieren lässt und gleichzeitig unaufhörlich ihren horizont erweitern kann wie das monströse schwarze loch einen doppelten boden: dort ist zwar dort, gehört aber zu hier, womit alles hier ist, aber eben nicht ganz von hier aus erklärbar. wie noch mal?

träume scheinen sich mit einer charmanten beharrlichkeit einer endgültigen sinnzuweisung zu entziehen. immer wieder gelangt die forschung, die philosophie, die kunst einer zeit an die grenze, wo sich selbst beschneidet: wer den traum von der wachwelt erklären will, seine beschaffenheit, seine arbeitsweise, sein zweck, seine funktion – seine herkunft! - , erklärt mit den parametern der wachwelt, denn nur die stehn im moment des wachen zur verfügung, und diese parameter definieren unsere welt, unsere realität. niemandem ist es tatsächlich gelungen, den träumenden beim träumen erklären zu lassen, was bleibt ist immer nur die erinnerung und die erzählung. so dass nach mehr als siebzig jahren rem-wissenschaft doch noch die frage im raum steht: wäre es nicht technisch möglich, dass der träumende den traum innerhalb wenigster sekunden im moment des aufwachens erfindet (bzw. sein hirn)? was tut dieses gehirn, das im schlaf mindestens genau so aktiv wenn nicht sogar aktiver im schlaf ist wie im wachen? ist es tatsächlich ein art computer und dieser virus „traum“ auch mit 0 und 1 erklärbar?
was ist wenn der traum sich einfach nicht mit den eigenschaften der wachwelt vergleichen lässt? wenn seine substanz eine andere ist, seine herkunft eine eigene, wenn es nicht für alles eine endgültige erklärung gibt, die unserem derzeitigen wissenschaftsglauben gehorcht? es zieht sich durch die geschichte der faden der sinnsuche, oder der sucht nach sinnhaftigkeit. es gibt weniges in dieser welt, dass ohne funktion auskommen darf, wenn, dann gehörts meistens zur sparte kunst und fristet ein ständiges dasein auf der abschussrampe, ein luxus, der jederzeit über bord gehen könnte. es ist schlicht undenkbar, dass etwas, mit dem wir so viel zeit verbringen, das wenigstens einem teil von uns so viel gibt, oder nimmt, keinen zweck hat. Locke nahm den traum als form des denkens, und somit gottgegeben, und damit per se nicht sinnlos – gott vergibt keine sinnlosen fähigkeiten.

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